Singspielwerkstatt 2020

Kulturhorizonte-Singspiel-Uraufführung in Arbeit

Der Verein „Kulturhorizonte“ verlegt das für den 27./28. Juni 2020 geplante Singspiel zum Thema „1517 – Zauber der Freiheit. Drama der Soldatenwitwe Wirwettzen“ auf Samstag/Sonntag, den 27./28. Februar 2021. Das Theater neben dem Turm bleibt als Aufführungsort. Für den Landkreis Marburg-Biedenkopf haben wir noch eine Videofilmaufnahme über das Theater geplant, so dass jede/r daran teilhaben kann.

Themen sind die Vorstellungen und Handlungsmöglichkeiten einer Soldatenwitwe Wirwettzen als gläubiger Kräuterfrau und Vertreterin der Bauern und Armen, eine Anklage gegen sie wegen Zauberei, die Intrigen der Stände gegen Anna von Hessen, geb. Herzogin von Mecklenburg, nach dem Tod ihres Mannes Wilhelm II. von Hessen, und Annas Ziel, gegen die Stände ihre Herrschaft und Vormundschaft über ihren Sohn Philipp durchzusetzen. Im Drama geht es auch um das Schüren von Ängsten als Manipulationsmittel der Kirche, Fake-news, Abwertungen und Vorurteile der Justiz. Vom Prozess wurden nur wenige Informationen über die Verbrennung Wirwettzens aufgehoben. Dies gab die Gelegenheit, die Kontinuität der Mechanismen, welche bis in die Gegenwart wirkmächtig sind, im Singspiel vorzuführen.

Zunächst begann die Recherche in Kooperation mit dem Marburger Stadtarchiv (Sandra Baumgarten) und dem Staatsarchiv Marburg (Archivoberrat Dr. Wolfhardt Vahl) und die Umsetzung der Recherche in Dichtung. Jean Kleeb war sofort Feuer und Flamme, zum Singspiel eine Musik zu komponieren. Er bekam die ersten Wehen der Entstehung des Librettos von der ersten Idee bis zum Endprodukt mit. Dichtung war für die Autorin Ilina Fach eine Möglichkeit, sich von der historischen Analyse zu befreien. Branka Jovanović, eine ehemalige Redakteurin des Dokumentarsenders RTS in Belgrad, gab im Text dramaturgische Anweisungen. Sie verknüpfte das Handeln der Personen mit Orten und Zeit. Das Herausarbeiten der Komplexität von Persönlichkeiten geschah auf der Grundlage gemeinsamer Diskussion, die oft zu Heiterkeit Anlass gab. Wirwettzen wird nicht nur als Justizopfer, sondern als Vertreterin der Interessen der Bauern und Armen vorgestellt. Menschen waren im 16. Jahrhundert großenteils gläubig. Daher kam es darauf an, den Unterschied zwischen Glauben und manipulativer Nutzung religiöser Gefühle von Menschen zu verdeutlichen. Vermieden werden mussten Fallen von papierenen Figuren, von Heroisierung und Pathetik.

Organisation: Karin Winkelsträter fand sich bereit, das Stück zu inszenieren. Nun mussten SängerInnen und DarstellerInnen gefunden werden. Dabei halfen auch Jean Kleeb, Ulrike Paulus-Jung von der evangelischen Marien-Pfarrkirche und die Pfarrerin der Universitätskirche, Katja Simon. Auf diese Weise bekamen wir wunderbare Stimmen für das Singspiel: jene der bekannten Kammer- und Opernsängerin Nadine Balbeisi (Sopran, Köln), des Harmonika- und Trompetenspielers Philipp Hoffmann (Bass, Kassel), der Marburger Chorsänger*innen Birgit Küllmar (Alt), Hartmut Raatz (Barriton), Johannes Böckmann (Bass) und Thomas Riedl (Barriton, Wallau). Assistentinnen für Regie (Melisa Yaygir-Marinenko) und Requisiten (Jasmin Rohrig) kamen dazu. Darsteller*innen zu finden, erwies sich als kompliziert. Denn für Laien bedeutet eine Zusage nur eine Freizeitbeschäftigung, für die Organisatoren aber eine berufliche Arbeit. Von 40 angesprochenen Personen, Schüler*innen, Studierende, Theatergruppen und öffentlich wie privat geworbenen Menschen fanden sich schließlich 14 bereit, sich dauerhaft zu engagieren.

Bei Theaterproben hatte die Regisseurin Karin Winkelsträter die psychologische Aufgabe, eine Gruppe von heterogenen Persönlichkeiten durch gemeinsame Arbeit am Text, an Sprache, Mimik und Gestik zu einem Team zu bringen, das konstruktiv, mit Begeisterung mitdenkt mitarbeitet. Manche wollten durch ihre Musik zur guten Stimmung beitragen, andere durch ihren kritischen Beitrag gesehen werden. Wieder andere brachten ihr Mehrwissen über bestimmte Situationen ein. Manche kannten einzelne historische Worte nicht. Andere wollten die gereimten Zeilen an ihren Sprachrhythmus anpassen. So wandelte sich das Libretto ständig durch kreativen Austausch über Betonung und Worte. Ein Reigentanz und ein lebendes Denkmal wurden bereits geprobt. Trotz des dramatischen Inhalts des Stückes entstand viel Freude beim Üben.

Jean Kleeb passte dann den Text an die Musik an. In seinen Proben stimmte er mit den Sängern und Sängerinnen ab, ob die Musik lauter oder leiser, schneller oder langsamer gespielt werden muss, wo sie Pausen einlegen müssen, ob er seine Noten an die Stimme des Sängers anpassen muss. Nebenbei gab er auch Informationen über die Bedeutung atonaler Musik. Auch seine Proben waren von der fröhlicher Leichtigkeit durchdrungen, obwohl die Musik mit Dur-, Moll- und atonalen Tönen durchaus dem Ernst des Stückes entspricht. Mit den Musikern besprach er, welche Instrumente wo einzusetzen sind. Jean Kleeb (Klavier, Orgel), Kay Noack (Percussion), Susanne Oehler (Querflöte) und Philipp Hoffmann (Harmonika, Blasinstrument) werden den Gesang begleiten. Sie betonen die Emotionen der Protagonisten, welche die Sänger und Sängerinnen vortragen, wie Freude, Entsetzen und Trauer, Angst, Wut und Verzweiflung, Gelassenheit, Ironie und Bissigkeit musikalisch.

Wir besprachen Leihgaben mit dem Museum in Oberrosphe, der Universitätskirche, der Pfarrkirche St. Marien. Karin Winkelsträter suchte historische Kostüme aus und bekam Leihgaben vom Landestheater. Darüber hinaus ließen wir einige Kostüme und Kopfbedeckungen von Mitgliedern unseres Vereins nähen und Masken bauen. Damit waren die ersten Vorbedingungen geschaffen, um das Stück auf die Bühne zu bringen.

Der Inhalt soll nachhaltig vermittelbar bleiben. Deshalb planen wir die Aufführung des Singspiels auf Video aufzunehmen. Bei der Suche nach Filmern war Pfarrer Hartmut Hegeler (Unna) behilflich. Nun fanden sich Dr. Dagoberto Schelin (FB 09: Medienwissenschaft), Maximilian Ortmann, Minhong Zhang und Johanna Richter für diese Aufgabe bereit. Das Team hat bereits zu Nicht-Corona-Zeiten Filmausschnitte der Proben und einzelne Interviews gemacht. Es stellt noch einen Teaser her, der die Zuschauer vor der Aufführung auf das Stück aufmerksam machen wird.

Das Besondere dieses Singspiels liegt darin, dass ein internationales, inklusives Team kooperiert und das Stück im historischen Gewand gesellschaftspolitisch aktuell ist.

Förderer: Mit einem Flyer warben wir nicht nur auf unserer Homepage, sondern bei sozialen Medien der Stadt, im Landkreis und beim Kultursommer Mittelhessen. Die Aktion Mensch konnte als größter Förderer neben Stadt, Landkreis, AStA, Kultursommer Mittelhessen und unserem Dachverband djo gewonnen werden, so dass alle frohgemut viel Zeit investierten, damit das Drama aufgeführt werden konnte. Bis vor kurzem hofften wir, aufführen zu können, als aber die Corona-Bestimmungen herauskamen, wurde allen klar, dass wir unsere Aufführungen vom 27./28. Juni 2020 auf Samstag, Sonntag den 27./28. Februar 2021, 16 und 19 Uhr, verschieben müssen.

Wir freuen uns, wenn die Zuschauer sich diesen Termin in ihren Kalender eintragen. Im Theater neben dem Turm gibt es nur 75 Plätze. Daher ist eine frühe Reservierung von Karten angeraten. Dies kann erfolgen unter: dr.ifach@web.de.


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