Über sieben Meere

Förderer: Fachdienst Kultur
Kooperationspartner: Ausländerbeirat, Deutsch-chinesischer Freundschaftsverband e.V. u.a. Vereine

Dr. Gert Meyer
Über sieben Meere. Die Reisen des chinesischen
Flottenadmirals Zheng He (1405 – 1433)

Ort: Kerner (neben der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien)

Zeit: 22.06.2022, 19 Uhr


Bald beginnt wieder die Reisezeit – eine gute Gelegenheit, einen Blick auch auf die Geschichteder großen Entdeckungsreisen seit dem 15. Jahrhundert zu werfen. Neuere Forschungenzeigen, dass chinesische Seefahrer lange vor den Europäern entfernte Erdgegenden besuchtund kartographiert haben: In den Jahren 1405 bis 1433 stachen mehrere große chinesische Flottenverbände unter Leitung des Admirals Zheng He, im Auftrag des dritten Ming-Kaisers Zhu Di in See, die nachweisbare Spuren in Indien, Arabien, Afrika, Australien, Amerika sowie auf entlegenen Pazifikinseln hinterlassen haben.
Welches waren die politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Ziele dieser Expeditionen? Warum wurden diese bald wieder eingestellt und dann weitgehend vergessen? Wie und wann wurden sie wieder entdeckt?
Solche Fragen wollen wir an einem schönen Sommerabend diskutieren – auf ein friedliches Zusammenleben der Völker hoffend.
Lektüreempfehlung: Gavin Menzies, 1421. Als China die Welt entdeckte, München 2003


Zielgruppe: Politisch-historisch interessierte und engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger, Zuwanderer, die im Rahmen eines Rückblicks auf die Entdeckungsgeschichte überlieferte eurozentrierte Ansichten zu überwinden suchen.

Lernziel: Erarbeitung neuer Blickwinkel auf die Entdeckungsgeschichte durch Heranziehen neuer Quellen und Methoden.


Darstellung der Inhalte und Methoden sowie kritische Beurteilung 

des Seminars durch den/die Seminarleiter/in: 


Das Referat von Dr. Gert Meyer ging zunächst auf die traditionellen Aussagen der Geschichtsbücher ein: die Europäer haben als erste die fernen Länder und Kontinente bereist, erforscht und kartographiert. Er führte die traditionellen Entdeckernamen an: Kolumbus (1492), Bartolomeo Dias (1488), Vasco da Gama (1498), Magellan (1519-1522), James Cook (1768-1779). Aber diese Entdecker mussten doch erkennen, dass in diesen fernen Regionen schon seit vielen Generationen Menschen (Indigene) gelebt und gewirkt haben. Und wir dürfen die negativen Folgen der Entdeckung nicht vergessen. Dies waren Eroberung, Ausbeutung, Gewaltherrschaft und Sklaverei.

Neuere Forschungen haben ergeben, dass z.T. lange vor den Europäern andere Mächte große Forschungsreisen unternommen haben. Dies gilt besonders für das Chinesische Reich, das in der frühen Ming-Zeit (1. H. des 15. Jh.) unter dem Kaiser Zhu Di und dem Flottenadmiral Zheng He Forschungs- und Diplomatieexpeditionen weit über die engen Grenzen chinesischer Nachbarländer durchgeführt hat. Darauf deuten hin: kürzlich gefundene Schiffswracks, die auf die Ming-Zeit zu datieren sind, historische Reiseberichte, Zivilisationsspuren: Porzellanspuren, Stelen, Votivgaben, Seidenstoffe, Bergbauspuren, transkontinental verpflanzte Tiere und Gewächse. 

Der britische Autor Gavin Menzies (1937-2020) hat zahlreiche solcher nichtschriftlichen Quellen ausgewertet und historisch eingeordnet („1421. Als China die Welt entdeckte“, Droemer, München 2003). Eines seiner Argumente waren historische Weltkarten, auf denen Küstenlinien, Inseln und Länder dargestellt wurden, die nachweislich noch nicht von Europäern bereist wurden: Hier ging der Autor besonders auf die Waldseemüller-Karte von 1507 ein, die heute in der Library of Congress/ Washington, betrachtet werden kann. Sie ist die Karte, in welcher der neue Kontinent erstmalig als America bezeichnet worden ist und zeigt die Konturen der Westküste Nordamerikas, der Halbinsel Florida und der Nordküste Asiens/ Sibiriens bis zur Halbinsel der Tschuktschen/Bering-Straße, die noch weit außerhalb der Reise- und Forschungstätigkeit der Europäer gelegen haben. Nach der Auffassung von Menzies können nur die Chinesen Urheber dieser Karten gewesen sein. 

In der frühen Ming-Zeit wurden nämlich große Flottenprogramme aufgelegt – damals wurden etwa 300 Großdschunken auf den kaiserlichen Werften bei Nanking aufgelegt, die nach 1421 in diplomatischen und wissenschaftlichen Absichten große Teile der Weltmeere zu erforschen suchten. Leiter dieser Expeditionen war der Flottenadmiral Zheng He (1371-1433/34), ein Eunuch, der hohe und höchste Funktionen in der kaiserlichen Armee und Flotte wahrnahm. 

Er organisierte nachweislich sieben große Expeditionsreisen, die den Höhepunkt der chinesischen Seeunternehmungen darstellte. Aber diese fanden nach des Kaisers Tod (1424) bald ein Ende. Denn sie waren zu teuer, brachten keine Gewinne, bluteten das Land aus und verhinderten einen weiteren Ausbau der großen Mauer im Norden. 

Zheng He wurde bald vergessen, die Flotten wurden nicht erneuert und verfielen, China begab sich in eine lang währende Selbstisolation. Im Gegensatz hierzu entwickelte sich der Flottenbau in Europa und 1514 tauchten die ersten portugiesischen Schiffe vor der chinesischen Küste auf; bald wurde die erste europäische Kolonie auf chinesischem Boden (Macau) gegründet. Erst in allerjüngster Zeit wurde im Rahmen eines neuen Aufstiegs Chinas der alten Flottenfahrten wieder mit Stolz gedacht, und der Admiral Zheng He gilt als früher Repräsentant der maritimen Seidenstraße.

In der lebhaften, anschließenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass zu all den genannten Themen noch großer Forschungsbedarf besteht. Die weit reichenden Thesen von Gavin Menzies sind von Sinologen kritisiert worden, die auf eine mangelnde schriftliche Quellenbasis hingewiesen haben, aber die Menzies-Thesen können dazu auffordern, in internationaler Kooperation weitere Erkenntnisse zu Tage fördern. Und dies wäre eine Chance, in der gegenwärtigen angespannten politisch-militärischen Situation neue Friedensimpulse zu setzen. Es war das gemeinsame Anliegen von chinesischen und europäischen Diskussionsteilnehmern, eine friedliche, humanistische Zukunft und Völkerverständigung anzuvisieren.

Das Seminar hat in den Augen der Leiterin seine Aufgaben gut erfüllt in Form eines historisch-gesellschaftlichen Rückblicks auf die Geschichte, die Darstellung von Wegen zu neuen Kooperationen und zur Förderung des interkulturellen Austauschs. Es wurde die Hoffnung auf die Fortsetzung dieser Diskussionen geäußert.

Trotz Werbung im Express, in der OP und in der Sonntagmorgenzeitung erschien nirgendwo ein Hinweis. Ausschließlich aufgrund von online-Werbung kamen die TeilnehmerInnen.


Das Seminar hat wie im Programm vorgesehen stattgefunden


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